Toskana Rundreise Sicht auf ein typisches Dorf in der Chianti

Chianti, Val d’Orcia, Maremma, Lucchesia – unsere individuelle Rundreise durch die Toskana

von | 25.05.2025 | Italien

Toskana mit Musse entdecken – Kultur, Landschaft und Genuss auf einer individuellen Rundreise

Wir nehmen uns Zeit für eine Reise durch die Toskana – bewusst, und genussvoll. Unsere Route führt uns in vier charak­ter­volle Regio­nen: durch die Wein­land­schaft des Chi­anti Clas­si­co, ins weite, san­fte Val d’Orcia, an die naturbe­lassene Küste der Marem­ma und in die ruhige Luc­ch­esia rund um Luc­ca. Unter­wegs erleben wir ital­ienis­che Leben­sart abseits des Trubels: stille Dör­fer, gepflegte Bike­touren, regionale Küche und Unterkün­fte mit Atmo­sphäre – nicht alle makel­los, aber stets mit Charak­ter. Ein Zwis­chen­halt in Par­ma macht den Auf­takt – und am Ende blick­en wir zurück auf eine Reise voller Ein­drücke und Ein­sicht­en.

Unterwegs ins Herz der Toskana

Ein Zwischenhalt in Parma

Unsere diesjähri­gen Früh­lings­fe­rien führen uns nach Ital­ien – genauer: in die Toskana. Eine Region, über die viel geschwärmt wird. Viel gehört haben wir, viel gele­sen. Nun wollen wir uns selb­st ein Bild machen – unvor­ein­genom­men, mit offen­em Blick. Vier Orte haben wir dafür aus­gewählt: das Chi­anti-Clas­si­co-Gebi­et bei Siena, die san­ften Hügel des Val d’Orcia im Süden, die wilde Küste der Marem­ma rund um Cas­tiglione del­la Pesca­ia und die Luc­ch­esia im Nor­den, nahe bei Luc­ca.

Um die Reise entspan­nt zu begin­nen, leg­en wir einen Zwis­chen­halt in Par­ma ein. Das Grand Hotel de la Ville bietet Park­plätze – ein unschätzbar­er Vorteil – und liegt so, dass wir das Zen­trum in rund fün­fzehn Minuten zu Fuss erre­ichen. Für das Nacht­essen haben wir einen Tisch in der Oste­ria dei Servi ergat­tert. Ein­er der let­zten draussen – Glück gehabt. Pas­ta, Fleisch, ein Glas Wein – dazu die Stim­men um uns herum, das Treiben auf der Gasse. Es ist unser erster ital­ienis­ch­er Abend, und wir geniessen ihn in vollen Zügen.

Am näch­sten Mor­gen bleibt noch etwas Zeit. Es ist Son­ntag – Mark­t­tag. Wir schlen­dern durch die Alt­stadt, lassen uns treiben, gön­nen uns einen Espres­so in einem kleinen Café. Par­ma wirkt lebendig, aber nicht über­laden – ein angenehmer Auf­takt zur Weit­er­reise.

Auf Nebenwegen Richtung Süden

Der Zwis­chen­stopp in Par­ma hat­te nicht nur Charme, son­dern auch einen prak­tis­chen Nutzen: Wir müssen nicht die schnell­ste Route nehmen, son­dern kön­nen land­schaftlich schöne Strassen wählen. Zur Vor­bere­itung haben wir uns mit ein­er Strassenkarte aus­gerüstet – die Route pla­nen wir ana­log, führen sie dann mit Google Maps aus.

Ab Bologna fol­gen wir der SS65, die uns durch den Apen­nin Tosco-Emil­iano führt – eine deut­lich abwech­slungsre­ichere Strecke als die weit­en, eher monot­o­nen Ebe­nen der Emil­ia-Romagna. Die Land­schaft wird kurviger, wal­dre­ich­er, bergiger. Der geografis­che Über­gang in die Toskana erfol­gt irgend­wo ober­halb von Flo­renz land­schaftlich zunächst kaum wahrnehm­bar. Erst nach Flo­renz, als wir Rich­tung Siena fahren, ändert sich das Bild. Die Land­schaft öffnet sich, wird heller, die For­men weich­er. Es ist, als hätte jemand den Vorhang zur Toskana gelüftet.

Im Herzen des Chianti

Wir fahren ent­lang der Chi­anti­giana, der SR 222 – eine Strasse, die das Chi­anti-Gebi­et von Flo­renz bis Siena durch­quert. Bei Greve ver­lassen wir die Haup­tachse und weichen auf Neben­strassen aus. Die Strecke wird ruhiger, aber nicht weniger ein­drucksvoll. Panora­ma rei­ht sich an Panora­ma: san­fte Hügel, geometrisch angelegte Rebzeilen, sil­brig schim­mernde Oliven­haine. Dazwis­chen tauchen immer wieder Dör­fer auf, Weingüter und vere­inzelte Bur­gen.

Die let­zten Kilo­me­ter führen uns über „strade bianche“ – staubige Schot­ter­wege, typ­isch für diese Gegend. Hier begin­nt das Chi­anti, wie wir es uns vorgestellt haben. Irgend­wann erre­ichen wir ein schmiedeeis­ernes Tor. Wir klin­geln, es öffnet sich. Eine Allee aus Zypressen nimmt uns in Emp­fang. Der erste Ein­druck? Mehr als vielver­sprechend.

The Club House — ein Ort mit Atmosphäre

Das The Club House liegt im Süden des Chi­anti, etwa zwanzig Fahrminuten nördlich von Siena – abgeschieden, aber gut erre­ich­bar. Als das Haupt­ge­bäude in Sicht kommt, huscht ein Grin­sen über unsere Gesichter. Die Fas­sade, das Licht, die Stille – all das wirkt wie eine Ein­ladung zum Ver­weilen. Wir wer­den fre­undlich emp­fan­gen und dür­fen bald darauf das Resort ent­deck­en.

Die Anlage ist weitläu­fig, aber nicht über­laden. Die Ein­rich­tung geschmack­voll, der Ser­vice unauf­dringlich aufmerk­sam. Wir nehmen Platz in der Lounge und gön­nen uns den ersten Apéro – mit Blick über Reben, Oliven­bäume und eine Hügel­land­schaft, die sich wie gemalt vor uns aus­bre­it­et.

Unser Zim­mer liegt in einem der Nebenge­bäude. Kein Luxu­s­palast, aber ein gross­er, schön gestal­teter Raum mit eigen­em Patio. Zwei Liegen, ein Tisch – und nichts als Ruhe und Vogel­gezwitsch­er. Wir fühlen uns vom ersten Moment an wohl.

Blick auf das Hotel The Club House
Sicht auf ein Nebengebäude wo der Olivetta Raum liegt mit Sicht auf das Chianti Gebiet
Blick auf den Aussenpool des The Club House mit Aussicht auf das Chianti Gebiet

Biketour Vagliagli — Cignano

Nach einem feinen Früh­stück auf der Ter­rasse des Hotels – kein Buf­fet, son­dern à la carte – machen wir uns bere­it für unsere erste Bike­tour. Wir ver­lassen das Resort und fol­gen schmalen Neben­strassen und Feld­we­gen, die sich durch die Hügel­land­schaft ziehen. Ziel sind die kleinen Ortschaften Vagliagli und Cig­nano, bei­de still, char­mant und auf ihre Weise typ­isch für das ländliche Chi­anti.

Ein Teil der Strecke führt über die bekan­nten „strade bianche“ – jene weis­sen Schot­ter­pis­ten, die land­schaftlich reizvoll sind, fahrtech­nisch aber ihre Tück­en haben. Beson­ders, wenn uns Fahrzeuge begeg­nen: Der aufgewirbelte Staub legt sich nicht nur auf die Strasse, son­dern auch auf uns. Kein Dra­ma, aber auch kein Genuss. Zum Glück sind solche Pas­sagen eher kurz.

Ausflug nach Siena

Am zweit­en Tag unseres Aufen­thalts zeigt sich das Wet­ter von sein­er zurück­hal­tenderen Seite. Statt ein­er weit­eren Bike­tour entschei­den wir uns spon­tan für einen Aus­flug nach Siena. Sicher­heit­shal­ber nehmen wir den Veloträger vom Wagen – die Park­platzver­hält­nisse in ital­ienis­chen Städten sind meist nicht auf grosszügige Fahrzeug­masse aus­gelegt. An der Rezep­tion emp­fiehlt man uns den Parcheg­gio San Francesco – ein guter Tipp, wie sich zeigt. Zwar müssen wir kurz warten, bis ein Platz frei wird, doch der Zugang zur Alt­stadt ist kom­fort­a­bel: Eine mehrteilige Roll­treppe führt direkt hin­auf zur Basil­i­ca di San Francesco.

Von dort aus schlen­dern wir durch die Gassen der Stadt, vor­bei an kleinen Geschäften und engen Sträss­chen, bis zum Duo­mo di Siena. Die Fas­sade wirkt ein­drucksvoll – weiss, fil­igran, reich geschmückt. Im Innern dage­gen über­rascht der Dom mit sein­er Düster­n­is. Man spürt die Geschichte, aber auch die Spuren der Zeit. Eine behut­same Auf­frischung täte ihm gut. 

Eine löbliche Aus­nahme bildet die Bib­liote­ca Pic­colo­mi­ni, die sich als eigen­er, lichter Raum an der Nord­seite des Doms öffnet. Ihre Wände und das Ton­nengewölbe sind über und über mit Fresken geschmückt – leuch­t­end, erzäh­lend, fast über­bor­dend in ihrer Detail­fülle.

Sicht auf die Fresken der  Biblioteca Piccolomini im Dom von Siena
Unser Rundgang führt uns weit­er zum Piaz­za del Cam­po, umrahmt von his­torischen Gebäu­den, Cafés und Restau­rants. Der Platz gilt als ein­er der schön­sten Europas – ein Urteil, das wir nicht ganz teilen. Wir ent­deck­en das Chi­gian Art Café, ver­steckt in einem Innen­hof – ein ruhiger Winkel, abseits des Trubels. Nichts Beson­deres, aber genau richtig. Ein klein­er Snack, ein Espres­so, ein Moment zum Dur­chat­men.
Sicht auf die belebte Piazza del Campo in Siena

Siena? Kann man sehen – muss man aber nicht. Für uns bleibt es ein Aus­flug ohne bleiben­den Nach­hall.

Biketour mit Hindernissen

Am drit­ten Tag heisst es Abschied nehmen – unsere Reise führt weit­er süd­wärts, nach San Cas­ciano dei Bag­ni. Doch vorher wollen wir noch eine let­zte Bike­tour unternehmen, die wir bere­its im Voraus geplant haben. Nach einem guten Früh­stück – und einem tiefen Seufz­er angesichts der Aus­sicht – lassen wir unser Gepäck beim Emp­fang und brechen auf.

Der Weg führt uns zunächst über die ver­traut­en weis­sen Schot­ter­strassen, bis zur ersten Abzwei­gung – ein Weg, der zu einem Weingut führen soll. Das Tor ste­ht offen, wir fahren weit­er. Doch am Ende der Strecke: ein geschlossenes Eisen­tor. Umkehren. Es ist nicht das erste Mal, dass eine ver­meintlich öffentliche Route plöt­zlich im Nichts endet. Wir ken­nen das Spiel bere­its.

Zurück auf der Strasse wird die Tour abwech­slungsre­ich­er. Ein schmaler Wald­weg, ein Sin­gle­trail, führt uns durch ein kleines Tal. Komoot zeigt sich in dieser Umge­bung wenig zuver­läs­sig – wir ver­fahren uns, find­en aber schliesslich den Weg zurück. Dann, nach weni­gen Metern: ein eiern­des Vorder­rad. Plat­ten. Und das Reparaturset? Liegt sich­er ver­staut – in der Schweiz.

Wir besprechen die Optio­nen: Ein­er fährt zurück zum Hotel, oder wir rufen an. Die Verbindung ist lück­en­haft, doch mit Unter­stützung eines Ein­heimis­chen gelingt es uns, die Rezep­tion zu erre­ichen. Per What­sApp über­mit­teln wir unseren Stan­dort. Es dauert, aber nach rund dreis­sig Minuten erscheint unser „Ret­ter“ – ein Mitar­beit­er des Resorts, mit dem hau­seige­nen Shut­tle. Zehn Minuten später sind wir zurück beim Hotel und holen mit dem Jeep unsere Velos ab.

Zeit bleibt nicht mehr viel. Doch genug für ein let­ztes Mit­tagessen auf der Ter­rasse – noch ein­mal diese Weite sehen, das Grün, das Licht. Wir wis­sen schon jet­zt: Dieser Ort wird schw­er zu übertr­e­f­fen sein.

Val d’Orcia – die Toskana in ihrer Weite

Auf dem Weg zu unser­er näch­sten Unterkun­ft in San Cas­ciano dei Bag­ni leg­en wir einen Zwis­chen­stopp bei einem Fahrrad­mechaniker ein. Fre­undlich und unkom­pliziert repari­ert er den plat­ten Reifen und zeigt uns den Übeltäter – ein Dorn. Wir sind dankbar für diesen Ser­vice. Ein her­zlich­es Dankeschön an Chi­anti Bike Life.

Anschliessend führt uns die Route über kleine Neben­strassen nach Mon­tepul­ciano und weit­er in die südliche Toskana. Die Land­schaft verän­dert sich: Von den bewalde­ten Hügeln und Wein­ber­gen des Chi­anti hin zu den offe­nen, san­ft geschwun­genen Feldern des Val d’Or­cia. Jet­zt im Früh­ling leuchtet das junge Getrei­de sattgrün, dazwis­chen führen ikonis­che Zypresse­nalleen schnurg­er­ade auf ein­same Landgüter zu – die klas­sis­che Toskana-Kulisse.

Ent­lang der SP 146 rei­ht sich ein Foto­spot an den näch­sten – und mit ihnen eine ganze Parade an Self­ie-Posern. Möchte­gern-Influ­encer stellen sich in Szene, als wäre ger­ade dieses Bild noch nicht hun­dert­fach gepostet wor­den. Die Szener­ie ist zweifel­los ein­drucksvoll – aber in ihrer Dauerver­w­er­tung auch ein wenig entza­ubert.

Hotel Fonteverde – nicht was wir erwartet haben

Das Fonteverde liegt etwas ausser­halb von San Cas­ciano. Die Auf­fahrt wirkt imposant, doch der Glanz ver­gan­gener Tage ist spür­bar. Das Hotel mit angeschlossen­er Therme entspricht nicht unseren Erwartun­gen. Wed­er das Zim­mer noch das Restau­rant erre­ichen das Niveau eines „Lead­ing Hotels of the World“. Auch die Tat­sache, dass Gäste zum Früh­stück in Bade­man­tel und Bade­hose erscheinen, trägt nicht zu unserem Wohlbefind­en bei. Unsere Erken­nt­nis: Bei kün­fti­gen Buchun­gen von Ther­men­ho­tels wer­den wir deut­lich kri­tis­ch­er sein.

Aussicht vom Hotel Fontverde auf die toskanische Landschaft

Biketour Castel Fighine

Für den heuti­gen Tag haben wir eine neue Tour geplant. Vom Hotel aus führt der Weg nach San Cas­ciano dei Bag­ni, anschliessend geht es auf der Naturstrasse steil bergauf – hin­auf zum Cas­tel Figh­ine, einem imposan­ten, etwas entrück­ten Ort über den Hügeln. Oben angekom­men ent­deck­en wir das Ris­torante Castel­lo di Figh­ine – ein Gourmet­lokal. Spon­tan reservieren wir einen Tisch fürs Aben­dessen.

Die Tal­fahrt bringt uns nach Piazze – mit dem Wis­sen im Hin­terkopf, dass der Rück­weg wieder bergauf führen wird. Der Anstieg ist stel­len­weise fordernd, aber angenehm schat­tig, denn er ver­läuft durch einen dicht­en Wald. Im licht­en Unter­holz plöt­zlich Bewe­gung: eine Rotte Wild­schweine. Der Eber grun­zt uns laut und deut­lich an. Wir ver­ste­hen – und treten zügig in die Ped­ale. Ein inten­siv­er Moment, der uns noch eine Weile begleit­et.

Kurz darauf erre­ichen wir San Cas­ciano dei Bag­ni – und wer­den über­rascht: Die Piaz­za Mat­teot­ti bietet einen wun­der­baren Blick über die san­fte, weit ges­pan­nte Hügel­land­schaft. Wir essen im Ris­torante Daniela – der Ort, das Essen, die Stim­mung – alles passt. Wir reservieren gle­ich für den näch­sten Abend.
San Casciano del Bagni sicht auf die Piazza-Matteotti
Aussicht in die grüne hügelige toskanische Landschaft von der Piazza Mateotti in San Casciano del Bagni

Kulinarik im Castello di Fighine

Den Nach­mit­tag lassen wir ver­stre­ichen – mit Lesen, Musik und dem Blick in die Weite. Am Abend machen wir uns auf den Weg zurück zum Cas­tel Figh­ine. Das Ris­torante Castel­lo di Figh­ine, mit einem Miche­lin-Stern aus­geze­ich­net, über­rascht pos­i­tiv: Neben den klas­sis­chen Degus­ta­tion­s­menüs wird auch eine À‑la-carte-Option ange­boten. Gut so – die Mehrgänger spren­gen längst unsere Kapaz­itäten.

Auch mit drei Gän­gen, ergänzt durch kleine Grüsse aus der Küche, kom­men wir an unsere Gren­zen. Doch was serviert wird, ist in jed­er Hin­sicht überzeu­gend: fein abges­timmt, sorgfältig angerichtet, geschmack­lich präzise. Der Ser­vice ist aufmerk­sam, ohne Attitüde – ele­gant, aber entspan­nt. Zwis­chen­durch eine Küche auf diesem Niveau zu erleben, das ist und bleibt etwas Beson­deres.

Biketour zwischen Toskana, Umbrien und Latium

Ein weit­er­er Bike­tag ste­ht an – dies­mal führt uns die Route ins Gren­zge­bi­et der Regio­nen Toskana, Umbrien und Latium. Die Strecke ist abwech­slungsre­ich: Schot­ter, Pfade, Abschnitte durch licht­en Wald. Immer wieder eröff­nen sich Blicke in die Ferne – dieses Dreieck hat Charak­ter. In der Hoff­nung auf eine Bar oder ein kleines Restau­rant machen wir einen Abstech­er nach Trevinano. Der Ort liegt schön – leicht erhöht, mit Aus­sicht. Doch gas­tronomisch: Fehlanzeige. Es gibt eine Oste­ria, diese scheint aber seit ger­aumer Zeit geschlossen zu sein. Ob das daran liegt, dass Trevinano admin­is­tra­tiv nicht mehr zur Toskana gehört? Auf dem Rück­weg haben wir noch einen Feld­weg einge­plant – ein let­zter Trail zum Abschluss. Doch nach der Hälfte wird es schwierig: tiefe, ver­schlammte Fahrrin­nen, zugewach­senes Buschw­erk. Wir steigen ab, kehren um und nehmen die Strasse zurück zum Hotel.

Über den Monte Amiata in die Maremma

Ein Zwischenhalt in Radicofani

Unsere Fahrt zur drit­ten Des­ti­na­tion in der Toskana, dem Hotel L’Andana bei Cas­tiglione del­la Pesca­ia, führt uns quer durch die Region – von Osten nach West­en, durch wech­sel­nde Land­schaften. Über schöne Neben­strassen erre­ichen wir Radi­co­fani, ein kleines, char­mantes Dör­fchen. Es ist kurz vor Mit­tag, und aus den Restau­rants strö­men ein­ladende Düfte, die uns beina­he zum Bleiben ver­leit­en. Doch wir sind noch nicht hun­grig und set­zen unseren Weg fort.

Sicht auf ein Restaurant Sitzplatz in Radicofani

Über den Monte Amiata

Die Strecke führt uns weit­er in das Gebi­et des Monte Ami­a­ta, einem erlosch­enen Vulkan und mit 1.738 Metern der höch­ste Berg der Region. Kurve um Kurve schlän­geln wir uns durch Kas­tanien- und Buchen­wälder hin­auf, bis zur Tal­sta­tion eines alten Ses­sel­lifts. In der Oste­ria 101, ein rustikales Haus, find­en wir noch einen Tisch. Die Küche ist ein­fach, ehrlich, gut: Brot­suppe & Pas­ta. Wir erfahren, dass der Ses­sel­lift bei Schnee noch immer in Betrieb ist – und dass das Gebi­et ein Paradies für Wan­der­er, Bik­er und im Herb­st für Kas­tanien­lieb­haber sei.

Ankunft im L’Andana

Nach zwei weit­eren Stun­den Fahrt erre­ichen wir unser Ziel: das L’Andana Resort bei Cas­tiglione del­la Pesca­ia. Die schmiedeeis­er­nen Tore öff­nen sich, und eine Allee aus Zypressen und Pinien führt uns zum Haupthaus – eine Szener­ie, die an die grossen toskanis­chen Landgüter ver­gan­gener Zeit­en erin­nert. Tat­säch­lich war das Anwe­sen einst die Som­mer­res­i­denz von Großher­zog Leopold II. von Toskana.

Der Emp­fang ist her­zlich. Unser Zim­mer liegt in einem Nebenge­bäude mit Ter­rasse – doch die Real­ität bleibt hin­ter dem ersten Ein­druck zurück. Das Zim­mer wirkt weniger frisch als erwartet, die Ter­rasse zwar grosszügig, aber wenig gepflegt. Rote Sand­mil­ben auf Liegen und Stühlen machen es uns unmöglich, den Aussen­bere­ich zu nutzen. Das Früh­stück in der Gar­te­nan­lage des Haupthaus­es bildet die wohltuende Aus­nahme in ein­er son­st eher ernüchtern­den Erfahrung.

Garten des L'Andana Hotel

Biketour: Naturschutzgebiet Diaccia Botrona & Castiglione della Pescaia

Am näch­sten Tag zeigt sich das Wet­ter erneut fre­undlich – ide­al für eine Bike­tour. Wir starten zu ein­er Rund­fahrt, die uns zuerst ins nahegele­gene Feucht­ge­bi­et Diac­cia Botrona führt. Die Land­schaft ist flach, die Wege angenehm zu fahren. Ent­lang des Naturschutzge­bi­ets beobacht­en wir Flamin­gos, wie sie durchs Wass­er schre­it­en und nach Nahrung suchen. 

Von dort geht es weit­er nach Cas­tiglione del­la Pesca­ia, einem der bekan­ntesten Bade­orte der Toskana. Wir meinen uns zu erin­nern, hier vor vie­len Jahren mit der Fam­i­lie ein­mal Herb­st­fe­rien ver­bracht zu haben. Sich­er ist: Das Zen­trum mit der Burg hat seinen Charme bewahrt. Der Ort wirkt belebt, aber jet­zt anfangs Mai nicht über­laufen. Im Skip­per Beach Club bekom­men wir auch nach zwei Uhr noch einen Tisch. Wir bestellen einen Teller mit frit­tiertem Fisch – schlicht, knus­prig, gut. Genau das, was wir jet­zt brauchen. Danach fahren wir auf Neben­we­gen zurück zum Hotel.

Ausflug zur Halbinsel Monte Argentario

Es ist küh­ler gewor­den, der Wind deut­lich spür­bar – ide­al für eine Erkun­dungs­tour mit dem Auto. Unser Ziel: die Hal­binsel Monte Argen­tario. Aus­ge­hend von Por­to San­to Ste­fano umrun­den wir die Hal­binsel auf der Stra­da Panoram­i­ca. Die Strecke führt durch hügeliges Gelände, immer wieder öff­nen sich weite Blicke aufs Meer.

Ein rund vier Kilo­me­ter langer Abschnitt im südlichen Teil ist nicht asphaltiert, beste­ht aus Schot­ter und ist eher etwas für gelän­de­taugliche Fahrzeuge. Aber ja – der Name der Strasse ist Pro­gramm. Das Meer leuchtet in Türkis, die Küste zeigt sich wild und rau. Die bei­den Haup­torte Por­to San­to Ste­fano und Por­to Ercole lassen wir aus Zeit­grün­den aus.

Monte Argentario Strada Panoramica, sicht auf die wilde grüne Natur und das türkisfarbene Meer

Auf dem Rück­weg machen wir Halt in Tala­m­one, einem kleinen Küstenort am südlichen Rand des Marem­ma-Natur­parks. Direkt am Hafen find­en wir eine Bar, trinken etwas und spazieren anschliessend durchs Dör­fchen. Kein Ort für grosse Worte – aber nett.

Villa Casanova – ein stilvoller Abschluss in der Lucchesia

Unsere vierte und let­zte Etappe führt uns in die Luc­ch­esia. Die Beze­ich­nung leit­et sich direkt von der Stadt Luc­ca ab und umfasst das ländliche Umland, das sich zwis­chen den Apuanis­chen Alpen und dem Tyrrhenis­chen Meer aus­bre­it­et.

Die SS439 bringt uns über Pomarance und Pisa – von weit­em erken­nen wir den schiefen Turm – zur kleinen Ortschaft Bal­bano. Kaum zu glauben, dass nur wenige Kilo­me­ter von der Auto­bahn ent­fer­nt stille Ortschaften im Grü­nen liegen.

Ganz hin­ten im Tal erhebt sich die Vil­la Casano­va, ein kleines Hotel mit nur 14 Zim­mern. Unser Zim­mer ist fast ein Apart­ment: grosszügig, licht­durch­flutet, mit hohen Deck­en und einem abge­tren­nten Sitzbere­ich. Wir fühlen uns sofort wohl. Die Crew ist sehr nett, und wir geniessen bei kühlen Tem­per­a­turen ein tolles Nacht­essen im Aussen­bere­ich. Wir sind erle­ichtert, dass wir am Ende doch noch eine zweite gute Hotel­er­fahrung machen kön­nen.

Sicht auf das Haupthaus der Villa Casanova
Aussicht auf das grüne Land

Ausflug an die Küste

Am näch­sten Mor­gen reg­net es, und die Tem­per­a­turen sind spür­bar gefall­en. Gut, dass wir ein schönes Hotelz­im­mer haben – so fällt uns die Decke nicht auf den Kopf. Am Nach­mit­tag wagen wir einen Aus­flug Rich­tung Küste, unter­halb von Viareg­gio. Wir spazieren ein Stück dem Strand ent­lang. Ein bag­no nach dem anderen rei­ht sich an der Küste, ein Trak­tor pflügt den Sand um – der Abfall wird dabei gle­ich mit einge­graben. Vieles wirkt bemüht gepflegt, aber wenig ein­ladend.

Wir fahren weit­er nach Forte dei Mar­mi. Dort parken wir und suchen ein Restau­rant mit Blick aufs Meer – verge­blich. Die meis­ten Lokale, die zu den bag­ni gehören, sind wet­terbe­d­ingt geschlossen. Zudem sind grosse Teile des Stran­des mit Sichtschutz abgeschirmt – von der Flanier­meile aus ist vom Meer nichts zu sehen. Der Zugang wirkt regle­men­tiert, fast aus­geschlossen. Wir ver­lassen diese für uns uner­freuliche Umge­bung. In Zukun­ft, so nehmen wir uns vor, wer­den wir Bade­orte mit flächen­deck­ender bag­no-Vorherrschaft kon­se­quent mei­den.

Zurück in der Vil­la Casano­va erfahren wir, das der Koch ist erkrankt, ein Aben­dessen im Hotel ist daher nicht möglich. Uns wer­den zwei Restau­rants in der Nähe emp­fohlen – das Il Borghet­to del Castel­lo und die Oste­ria Le Terme. Bei­de erweisen sich als angenehme Über­raschun­gen: unprä­ten­tiös, gut besucht von Ein­heimis­chen, mit ehrlich­er Küche. Die Qual­ität, die Ital­ien abseits der touris­tis­chen Zen­tren bietet, über­rascht uns immer wieder – im besten Sinne.

Lucca zum Abschied

Am let­zten Tag unser­er Toska­narun­dreise besuchen wir Luc­ca. Wir parken im Parcheg­gio Palatuc­ci, nur wenige Gehminuten von der Alt­stadt ent­fer­nt. Hin­ter den gut erhal­te­nen Stadt­mauern ver­birgt sich ein schön­er, kom­pak­ter Stadtk­ern mit his­torischen Gebäu­den, Kirchen, kleinen Läden, Restau­rants und Cafés – char­mant, aber unaufgeregt.

Wir spazieren ein Stück auf der bre­it­en Stadt­mauer, schlen­dern dann durch die Gassen und gelan­gen zur Piaz­za dell’Anfiteatro. Ihre ovale Form erin­nert noch heute an das römis­che Erbe. Dort ent­deck­en wir das L’Angolo Ton­do – ein Restau­rant mit über­raschend guter Küche und Ser­vice. Ger­ade an so stark fre­quen­tierten Touris­ten-Orten ist das sel­ten – umso schön­er, wenn es gelingt.

Sicht auf die Piazza dell’Anfiteatro in Lucca, mit Restaurants im Zentrum
Eine Gasse mit Bar in Lucca
Piazza mit Büste von Puccini

Wer es etwas gelassen­er mag als in Flo­renz, Rom oder Venedig, wird in Luc­ca das richtige Tem­po find­en. Bevor wir auf­brechen, deck­en wir uns in eini­gen Spezial­itäten­lä­den noch mit Gebäck, Olivenöl und Pas­ta ein. So schliesst sich unsere Reise – und ein Stück Toskana reist mit uns zurück.

Fazit unserer Toskanarundreise: viermal anders

Unsere Run­dreise durch die Toskana hat uns vier sehr unter­schiedliche Regio­nen näherge­bracht – jede mit eigen­em Charak­ter.

Im Chi­anti fan­den wir einen ide­alen Ein­stieg: eine land­schaftlich reizvolle Gegend, ein überzeu­gen­des Hotel und die erste Bike­tour, die uns durch kleine Ortschaften und über typ­is­che Schot­ter­strassen führte. Es war genau das, was wir uns von dieser Reise erhofft hat­ten.

Das Val d’Orcia zeigte sich offen, weit und in sein­er klas­sis­chen Form fast schon klis­chee­haft schön. Gle­ichzeit­ig mussten wir hier unsere ent­täuschend­ste Hotel­er­fahrung machen. Pos­i­tiv in Erin­nerung bleiben die abwech­slungsre­ichen Bike­touren sowie die Piaz­za Mat­teot­ti in San Cas­ciano del Bag­ni.

Die Marem­ma hin­ter­liess ein gemis­cht­es Bild. Die Strecke über den Monte Ami­a­ta war land­schaftlich ein­drucksvoll, das Hotel L’Andana hinge­gen blieb hin­ter unseren Erwartun­gen zurück. Die Region punk­tete mit span­nen­den Aus­flü­gen – etwa ins Feucht­ge­bi­et Diac­cia Botrona oder ent­lang der Küste von Monte Argen­tario.

In der Luc­ch­esia, unser­er let­zten Sta­tion, fan­den wir einen ver­söhn­lichen Abschluss. Die Vil­la Casano­va war in jed­er Hin­sicht eine erfreuliche Erfahrung – ein schönes, ruhiges Hotel mit aufmerk­samem Ser­vice. Der Besuch von Luc­ca bildete einen stim­mi­gen Schlusspunkt: his­torisch, gepflegt, angenehm über­schaubar. Gar nicht gefall­en haben uns dage­gen die stark kom­merzial­isierten Strand­ab­schnitte bei Viareg­gio und Forte dei Mar­mi. Der Zugang zum Meer war weit­ge­hend eingeschränkt, die Atmo­sphäre wenig ein­ladend – für uns kein Ziel mit Wieder­hol­ungs­fak­tor.

Die Bike­touren waren ein zen­trales Ele­ment dieser Reise – sie haben uns Land­schaften näherge­bracht, die man im Auto kaum wahrn­immt, und uns immer wieder mit kleinen Ent­deck­un­gen belohnt. Die Toskana hat sich uns nicht als makel­los­es Postkarten­bild präsen­tiert, son­dern als viel­seit­ige Region mit Eck­en, Reizen und Wider­sprüchen. 

Mehr Reiselust? Hier geht’s weiter:

Neuste Beiträge

Über VACANZAS
Unser Reiseblog konzentriert sich auf stilvolle und genussreiche Reisen für Paare und Solo-Reisende. Statt eines klassischen Reiseführers bieten wir persönliche Einblicke in unsere individuellen Reiseerlebnisse.

Nimm unsere Berichte als Inspirationsquelle für Deine Reiseplanung. Entdecke mit uns charmante Boutique- und Luxushotels, erstklassige Restaurants und besondere Locations.

Zeige mir alle Beiträge zu: Italien
Roadtrip entlang der oberitalienischen Seen

Roadtrip entlang der oberitalienischen Seen

Über den Lukmanierpass ins Tessin Startpunkt meines Roadtrips - Norditalien mit dem Auto - ist Ascona, obwohl ich ihn eigentlich bereits in Ilanz begonnen habe. Um mich dem Stau am Gotthard zu entziehen, entschied ich mich, über den Lukmanierpass ins Tessin zu fahren,...